Bewerbungscoaching: 5 Fragen an Bettina Hüpgens.
Highlights
März, 2022, 3 Min
Bettina Hüpgens ist als Senior Research Consultant bei der EL-NET GROUP seit 2020 aktiv und somit insbesondere im Bewerbungs-Coaching tätig. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Suche nach Führungskräften und ExpertInnen für mittelständische Unternehmen und Großkonzerne aus dem Maschinen- oder Anlagenbau, aus dem Automotive und Mobility Bereich oder auch aus der Logistik und IT.
Einen besonderen Fokus legt Bettina auf die Persönlichkeit und die innere Einstellung Ihrer KlientInnen. Nicht nur mit Ihrem Schwerpunkt Resilienz unterstützt Sie diese bei der Suche nach Ihrem „Selbst-Bewusstsein“, der emotionalen Akzeptanz einer manchmal nicht selbst gesuchten Situation und bei der eigentlichen Standortbestimmung. Ist diese Klarheit erreich, leitet sie dann erfolgreich zur eigentlichen Beratung rund um das Thema Bewerbung über.
Wir haben mit Bettina Hüpgens rund um das Thema Bewerbungscoaching gesprochen. Sie spricht in diesem Beitrag über den Ablauf des Coachings, gibt praktische Tipps zum Bewerbungsanschreiben und erzählt, wie Sie Ihre KlientInnen optimal auf ein Vorstellungsgespräch vorbereitet.
5 Fragen an Bettina Hüpgens
Der nachstehende Text basiert auf einem digital geführten Interview.
Bettina, du befasst dich insbesondere mit dem Bewerbungscoaching. Wobei hilfst du KlientInnen genau?
Bevor wir überhaupt zum Thema Bewerbung kommen, geht es erstmal um die Klarheit meiner KlientInnen. Wo stehen sie? Wissen sie, was sie wollen (oder was sie nicht wollen)? Woher kommen sie? Wohin möchten sie? Wie klar sind sie überhaupt?
Manchmal beginne ich sogar noch einen Schritt weiter vorne, mit dem Aufbau des „Selbst-Bewusstseins“. Die innere Einstellung, sowohl der Situation als auch sich selber gegenüber, ist maßgeblich für den Erfolg des Outplacements. Nicht alle meine KlientInnen wollten die Beendigung mit dem ehemaligen Arbeitgebenden. Manche befinden sich noch nicht in der emotionalen Akzeptanz. Das „Outplacement als Chance“ sehen, ist hier mein großes Ziel.
Wenn wir das geschafft haben, dann gehen wir ganz pragmatisch vor: Lebenslauf, Anschreiben, wie suche und finde ich passende Positionen, Vorstellungsgespräch, bis hin zur Vertragsverhandlung. Allerdings benötigen die wenigsten noch Unterstützung bei der Vertragsverhandlung, denn wenn sie einmal dort angekommen sind, sind sie selbstbewusst, kennen ihren Wert und verhandeln wunderbar.
Wie läuft dein Bewerbungscoaching ab?
Ich starte immer mit dem Lebenslauf. Nicht nur weil PersonalerInnen als erstes den Lebenslauf lesen, bevor sie eventuell das Anschreiben lesen. Auch weil das wie eine kleine Entdeckungsreise für die KlientInnen ist. Hier achte ich zunächst auf das Layout: nicht zu viel, aber trotzdem so, dass sich ein gutes Bauchgefühl bei den Lesenden entwickelt. Ganz wichtig: Die KlientInnen müssen sich mit ihrem Lebenslauf wohlfühlen, nicht ich! Der Rest ist fragen, fragen, fragen: „Was waren Ihre Aufgaben? Wofür waren Sie verantwortlich? Wie groß war das Team? Welche Erfolge haben Sie erreicht? Was noch? Was noch? Was noch?“ Es ist spannend, was alles aus dem hintersten Gedächtnis hervorgekramt wird. Das baut auf. So entsteht ein, wie ich es nenne, Masterfile des Lebenslaufs. Viel zu lang, aber alles drin, was man eventuell benötigen könnte und möchte.
Bei der konkreten Bewerbung heißt es dann, streichen, was nicht benötigt wird. Für jede Bewerbung gibt es einen eigenen Lebenslauf.
Worauf sollte man bei dem Erstellen eines Anschreibens achten?
Der Lebenslauf ist das Sachdokument mit allen Fakten. Das Anschreiben spiegelt ein Stück Persönlichkeit wider, deshalb sollte es auch in der Sprache der Bewerbenden geschrieben sein. Und es sollte einfach „anders“ sein, wenn auch der Aufbau klassisch ist: Einstieg – Hauptteil – Schluss.
Der Einstieg ist für mich das Wichtigste. Denn hier entscheidet sich, ob Lesende mit Freude weiterlesen oder das Geschriebene nur überfliegen. Deshalb heißt es hier ideenreich und kreativ neugierig auf mehr machen, aber dennoch kurz und fokussiert – nicht mehr als vier oder fünf Zeilen.
Der Hauptteil beinhaltet nicht den Lebenslauf in Fließtext. Hier suche ich mir zwei bis drei der wichtigsten Aufgaben und Anforderungen aus der Ausschreibung und erzähle anhand von Beispielen, warum ich das kann. Geschichten erzeugen Bilder und Bilder bleiben im Kopf. Außerdem macht mich das glaubwürdig und authentisch. Die Kür ist es, in diese Beispiele meine Softskills, die im besten Falle auch gefragt sind, miteinzuarbeiten. So erspare ich mir das Aufzählen der Softskill am Ende, was ohnehin nicht im Gedächtnis haften bleibt.
Gute Nachricht: der Schluss darf klassisch bleiben. Kurz und knackig, ohne Tamtam. Wenn gefragt, finde ich hier den Gehaltswunsch und das Einstiegsdatum sowie eine nette Schlussformel, wie z. B. „ich freue mich …“.
Wenn das Anschreiben gut bei dem Unternehmen ankommt, ist die zweite Phase des Bewerbungsprozesses das Vorstellungsgespräch. Wie gelingt die optimale Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch, bzw. auf welche Fragen sollten sich Bewerbende unbedingt vorbereiten?
Diese Frage kurz zu beantworten ist wirklich schwer. Auch wenn es natürlich Standards gibt, ist jedes Vorstellungsgespräch anders und letztendlich sitzen dort auch nur Menschen. Menschen, die einerseits nur ihren Job machen, andererseits Individuen sind, mit guten und schlechten Tagen. Zwei Tipps gebe ich deshalb immer meinen KlientInnen mit: Erstens, bleiben Sie ehrlich und authentisch. Antworten Sie, was Sie glauben, das richtig ist, und versuchen Sie nicht zu erraten, was die anderen gerne hören möchten. Zweitens, Sie sind im Gespräch auf Augenhöhe und kein Bittsteller. Sie haben den Bedarf eines neuen Jobs und das Angebot Ihrer Qualifikation und Erfahrung. Das Unternehmen hat den Bedarf eine Lücke zu besetzen und das Angebot eines Arbeitsplatzes. Ein Vorstellungsgespräch ist dazu da, sich kennenzulernen, so dass beide Seiten danach abwägen können, ob man zueinander passt.
Zur Vorbereitung: Das Wissen über das Unternehmen ist wichtig, auch wenn es oft gar nicht mehr abgefragt wird. Auch muss ich die Stellenausschreibung gut kennen und mein eigenes Anschreiben und meinen Lebenslauf. Den Lebenslauf bereite ich gerne anhand der STAR-L-Methode vor: S = Situation, T = Target (mein Ziel), A = Action (meine Handlungen & Entscheidungen), R = Result (meine Ergebnisse). Am Schluss, egal ob etwas gut oder weniger gut gelaufen ist, das L = Lesson Learned. Wenn alle wichtigen Aufgaben und Verantwortungen nach diesem Schema vorbereitet sind, ist ein souveränes Gespräch auf der fachlichen Ebene sicher. Bei dieser Vorbereitung identifiziere ich gleich die Softskills meiner KlientInnen mit, indem ich bei A = Action nach dem „wie und warum haben Sie das gemacht“ frage. So haben sie später ihre beispielhaften Erklärungen parat – sowohl fachlich als auch persönlich. Zusätzlich sollte man hier nach weniger erfolgreichen Beispielen suchen und diese vorbereiten. Das wird häufig gefragt, um die Skills Selbstreflexion und Kritikfähigkeit zu prüfen. Ich sage immer „Kleine Fehler machen sympathisch“.
Ein weiteres Thema in Bewerbungsgesprächen sind „Schwächen“. Die Lieblingsschwächen des Deutschen sind Ungeduld und Perfektionismus. Im Internet findet man oft, dass Schwächen etwa ins Positive verdreht werden können. Das sehe ich nicht so. Schwächen müssen dem Unternehmen „wehtun“, sonst sind es keine Schwächen. Hier empfehle ich, mit Beispielen zu arbeiten und wie man mit diesen Schwächen umgeht. Das ist das Wichtigste, das ich als PersonalerIn hören möchte.
Welchen Tipp gibst du KlientInnen, sollte das Vorstellungsgespräch nicht erfolgreich verlaufen?
Was bedeutet „nicht erfolgreich“? Ist das die subjektive Wahrnehmung der Bewerbenden? Oder später die tatsächliche Absage? Aus meiner Sicht ist jedes Vorstellungsgespräch erfolgreich. Jedes Gespräch ist eine gute Übung und zeigt mir neue Charaktere, auf die ich treffen, sowie neue Situationen und Fragen, auf die ich mich vorbereiten kann. Üben, üben, üben. Es macht selbstsicherer, selbstbewusster und besser. Das ist wie beim Sport. Prinzipiell – ob erfolgreich oder nicht – empfehle ich meinen KlientInnen immer, sich direkt nach dem Gespräch hinzusetzen und schriftlich zu reflektieren. Wo bin ich unzufrieden mit meiner Antwort, welche Frage habe ich nicht erwartet, was habe ich richtig gut gemacht, was werde ich das nächste Mal anders machen, wir kann ich mich noch vorbereiten, …? Wichtig ist hier die innere Einstellung: Passt der Job, der Chef, das Umfeld, die Firma usw. auch zu mir? Will ich das wirklich tun? Und wenn nicht, dann gleich weiterdenken: Was will ich dann?
Weitere Tipps zum Bewerbungsschreiben:
Im Bewerbungsprozess erhalten Berufseinsteigende und Arbeitssuchende häufig den Tipp, ein Ehrenamt im Lebenslauf aufzuführen, denn: ein Ehrenamt kann die Einstiegschancen im Recruiting Prozess erheblich steigern. Warum eine ehrenamtliche Arbeit im Lebenslauf als Karrieresprungbrett dienen kann und wie Sie Ihr Ehrenamt im Lebenslauf richtig angeben, lesen Sie hier » Ehrenamt im Lebenslauf
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